Atlantis
NINA CANELL, Matter of the Heart, 29.04. – 04.06.2011, Galerie Konrad Fischer, Berlin
Kunst für Deuter und Denker: Es ist wenig zu sehen. Alles ist durchsichtig (Glas, Acrylglas Wasser) oder kaum vorhanden (weiße Schnüre vor weißer Wand) oder am Verschwinden (durchgelaufene Schuhsohlen, eine Reihung kleiner werdender Glocken und Holzpfosten). Synästhetische Reize: Eine Pflanze vibriert im Rauschen eines Lautsprechers, die Glocken, Noten. Die Exponate können zu einer poetischen Phantasie verleiten. Das Wassermotiv taucht bei den hängenden, mit Wasser gefüllten Glasröhren auf, schwingt leise bei den Holzpfosten mit und erfüllt sich bei den gerahmten Noten: "Neptune, the Mystik". Die Glöckchen mutieren zu Schiffsglocken, die vergeblich unter Wasser läuten. Die Noten bedeuten den Musikern ein Leiser-Werden bis zum Verstummen. Eine Phantasie über Ertrinken, Verschwinden im Nichts.
Der Sound aus dem Lautsprecher ist wichtig für den Zugang zur Installation, denn Sound wirkt unterbewusst stark. Schlüsselexponat ist das gerahmte Notenblatt. Die Noten verankern die Exponate in der Kulturgeschichte und verbinden sie mit dem Wassermotiv und dem Verschwinden. Die Exponate mit synästhetischen Bezügen – die Glocken, das Notenblatt – regen die Phantasie an, denn der Besucher stellt sich die Töne im Geiste vor, vollbringt eine Transferleistung im Kopf. Nina Canell, die mit ihrem Freund Robin Watkins Musik produziert und dennoch als Bildende Künstlerin tätig ist, kennt sich in der visuellen und akustischen Welt aus. Synästhetische Bezüge sind besonders geeignet, Denken und Phantasie anzuregen, denn sie brauchen den Weg über das Gehirn, den Kopf. Im Gehirn werden verschiedene Bereiche, "Räume", angesprochen. Der Betrachter befindet sich geistig in einem "Transitstadium", dass insgesamt einen wichtigen Aspekt von Nina Canells Arbeiten ausmacht: Nina Canell "[…] bringt den Betrachter indirekt in eben jenes Transitstadium, das so oft den Kern der Objekte und Assemblagen Canells ausmacht".
Nina Canells Kunst erfreut sich gerade besonderer Beliebtheit und ist im Sommer 2011 mehrfach in Deutschland zu sehen, so in der Kunsthalle Fridericianum Kassel bis 05.06., in Berlin bis zum 04.06. in den Galerien Konrad Fischer "Matter oft he Heart" und Barbara Wien "Heart oft he Matter" und ab 08.06. in der Ausstellung "Based in Berlin".
Beschreibung
Räume
Ein Raum, durch eine Zwischenwand halb unterteilt, wird von breiter Fensterfront mit Tageslicht beleuchtet
Exponate
9 Exponate gesamt.
Der Eingangstür gegenüber:
Eine Pflanze vibriert vor einem Lautsprecher auf dem Boden stehend in dessen Schwingungen.
Gang durch den Ausstellungsraum im Uhrzeigersinn:
- Eine niedrige rechteckige Glasvitrine steht auf dem Boden und präsentiert abgelaufene löchrige Einlege-Schuhsohlen und einen Stein.
- Eine Leuchtstoffröhre ist zwischen einem Dach aus zwei durchsichtigen Acrylglasplatten befestigt und steht auf einer Konstruktion mit Stein ruhend auf dem Boden. Sie ist mit Kabeln / Drähten verbunden, die von der Decke hängen.
- 9 Glasröhren sind mit Messingdeckeln unten und oben verschlossen, in Segmente unterteilt und mit Wasser gefüllt. Sie hängen von der Decke. Es sind "Nansen Flasche" zum Entnehmen von Wasserproben. Sie erinnern visuell an Bambusstäbe.
- Gerahmte Noten mit Titel "Neptune, the Mystik" mit folgender Angabe für die Musiker: "The bar to be repeated until the sound is lost in the distance", ("In Anlehnung an die letzte Passage von Gustav Holsts Musikstück Neptune, der Mystiker (1916), in dem der Komponist das vermutlich erste bewusste "Fade-Out" einsetzte […]. Die ursprüngliche Partitur Holsts sah vor, einen kleinen Frauenchor im Nebenraum des Zuhörersaales zu positionieren, um die Tür nach und nach zu schließen, 'bis der Klang sich in der Ferne verliert'.")
- 4 Holzpfosten stehen auf dem Boden nebeneinander, ihre Größe wird immer geringer, ihr oberes Ende ist mit rosa Plastikmasse wie zum Schutz vor dem Eindringen von Flüssigkeit bedeckt. Die Plastikmasse ist an ihnen herunter bis zum Boden gelaufen.
- 22 Türkeile aus Holz in unterschiedlicher Dicke liegen nebeneinander auf dem Boden.
- 4 Glocken hängen an einem Holzstab, der mit Restspuren von Farbe bedeckt ist. Sie liegen in einer Ecke auf dem Boden, daran ist eine Schnur oder ein Kabel montiert, dass – oben an der Wand befestigt – herunter hängt.
- Auf einem kleinen weißen Brett an der Wand liegen in Reihe hintereinander, als wären sie verbunden, kleine Gegenstände: Nägel, Elektrodraht, organische Teile.
Links
- http://konradfischergalerie.de/selec_press.php?id=87
Selected press, hier Zitat aus: art-magazin online, www.art-magazin.de - 24 / 11 / 2008: Radar, Christian Schwarm über Nina Canell - http://www.fridericianum-kassel.de/canell0.html
- http://www.barbarawien.de