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Gerhard Richter: Frühe Bilder, Museum Wiesbaden, 16.03. - 17.06.2018

Was ist Wirklichkeit? Was ist Malerei? 14.03.2018, Wiesbaden

Gerhard Richter stellt in seiner Kunst immer wieder zwei Fragen: Was ist Malerei heute? Was ist Wirklichkeit?

Im Zeitalter der Digitalisierung stellt sich die Frage nach der Wirklichkeit neu und vehement, denn neben der "realen" Welt erleben wir eine "digitale" Welt, und beide Welten können sich sogar mischen, wie zum Beispiel bei dem Spiel Pokemon Go. Würde Richter heute beginnen, künstlerisch zu arbeiten, würde er sich wahrscheinlich mit dem digitalen Abbild der Wirklichkeit auseinander setzen. Ein Ausdruck und damit die beliebige Reproduzierbarkeit, ist heute in sehr guter Qualität überall extrem leicht verfügbar. Richter reagiert auf diese Situation, wenn er Drucke von seinen Malereien statt der Originale zeigt, wie zum Beispiel beim Bundestag mit seinen Übermalungen von Fotos aus dem KZ Auschwitz-Birkenau, so zeigt er sie als Druck und damit "nicht als Kunstwerk, sondern als Dokument und Memento" (Gerhard Richter, Link zum Zitat siehe unten).

Anfang der 1960er Jahre stellte Richter die Frage, was Malerei ist und soll - auch diese Frage ist heute nicht verschwunden. Wir erleben einen Boom der Kreativität. Viele malen. Gerhard Richters abstrakte Rakelbilder sind Vorbild für unzählige Bilder in Volkshochschulkursen. Malerei und das Bild wird nicht verschwinden. So gibt es zwar heute Menschen, die wegen Smartphone und Computer kaum noch etwas mit der Hand schreiben, geschweige denn zeichnen. Doch wird auch schon deutlich, dass diese Kulturtechniken wichtig sind, weil sie das Denken befördern und das Gehirn anregen.

Gerhard Richter hat die Frage nach der Malerei zum Beispiel mit seinen gemalten Bildern eines umgeschlagenen Blattes aufgeworfen. Wir sehen die Räumlichkeit eines Blattes, die uns als Trompe d'oeil täuscht, denn es ist nur Malerei und Leinwand. Bei einem Bild, dass wir im Museum Wiesbaden sehen, mutiert die Leinwand zur Tür (Kleine Tür, 50 x 50 cm, 1968). Richter hat Fenstergitter gestaltet - mit unscharfen gemalten grauen Schatten eines Gitters und scharfen weißen Abtrennungen, die sich teilweise durch die Leinwände selber ergeben. So arbeitet er mit Materialität und Täuschung durch die Malerei.

Im Museum Wiesbaden finden sich solche und ähnlichen konzeptuellen Motive in den ersten Räumen der Ausstellung: gemalte Korridore, Fenstergitter, Wellblech und Vorhang, so wie ein echter Spiegel, auch ein Motiv der Wirklichkeitshinterfragung von Gerhard Richter. Weiter geht es mit abstrakten Bildern - frühen abstrakten Bildern und späteren. Dann kommen die Motive, mit denen Gerhard Richter berühmt wurde: die abgemalten und dadurch verfremdeten Fotografien. Besonders spannend ist der letzte Raum, in dem Landschaften von Gerhard Richter gehängt sind: "Grünes Feld", "Seestück bewölkt" und andere. Das Konzept der Ausstellung hat Dr. Jörg Daur entwickelt. "Menschenleere, großformatige Landschaften bilden im Werk Richters ein Scharnier zwischen den Foto-Bildern und den rein abstrakten Arbeiten." heißt es im Text zu diesem letzten Raum mit den Landschaften. Und dieses Konzept greift. Wie Daur ausführt, beginnt die Ausstellung mit den konzeptuellen philosophischen Arbeiten zur Frage von Abbild und Wirklichkeit, geht über zu den abstrakten Arbeiten und von da zu den bekannten Bildern nach Fotos. So erschließen sich auf dichten Raum die vielen Facetten Richters. Im letzten Raum mit den Landschaften, die viel weniger bekannt sind als die abstrakten Bilder und die Foto-Bilder, scheint alles zusammen zu kommen. Der Kreis schließt sich.

Die Ausstellung im Museum Wiesbaden knüpft an eine frühe Ausstellung Richters im Museum Wiesbaden an: 1966 stellte er in einer Gruppenausstellung mit Sigmar Polke, Lueg (Konrad Fischer), Thomas Bayrle und anderen aus. Zur Ausstellung kam es durch die Anregung von Karl Otto Götz, in dessen Klasse an der Kunstakademie Düsseldorf diese Künstler studierten. Da zwar formal eine Gruppenausstellung, real aber eine Aneinanderreihung von einzelnen Räumen, die ganz vom jeweiligen Künstler bestimmt waren wie bei einer Einzelausstellung, kann diese Ausstellung im Museum Wiesbaden von 1966 als erste museale Präsentation Gerhard Richters angesehen werden.

Das Museum Wiesbaden besitzt eigene Bilder von Gerhard Richter, die Teil der heutigen Ausstellung sind. Die Ausstellung ist in Kooperation mit dem Kunstmuseum Bonn und dem S.M.A.K. in Gent entstanden; die Ausstellung im Museum Wiesbaden ist die dritte Station.

Gerhard Richter. Frühe Bilder im Museum Wiesbaden, 16.03. - 17.06.2018

Museum Wiesbaden, Ausstellung Gerhard Richter

Link zum Zitat Gerhard Richters zu seinen Arbeiten im Bundestag: